Schwierig ist es als jahrelanger, treuer Tori Amos Fan eine CD-Review zu schreiben die sich nicht als "Tendenzjournalismus" bezeichnet werden kann. Trotzdem hier mein Versuch einer (mehr oder weniger) konstruktiven Kritik.
Tori's 10. Studioalbum heißt also "Abnormally Attracted to Sin", ein Titel der mich zuerst etwas verunsicherte, so fühlte ich mich doch an Britney Spears & Co. erinnert. Auch das Cover: eine jugendliche, sexy dreinblickende, sich auf einem Bett räkelnde Tori, verstärkte diese Eingebung. Doch man weiß natürlich nichts bevor man die Musik nicht gehört hat. Und dies kann ich vorwegnehmen, sie lohnt sich zu hören.
Auch die neue CD ist ein Mammutwerk, 17 Titel (+Bonustrack). Diese Längen kennt man schon von den Vorgängerwerken. Während die Beschwerde die CD wäre zu kurz bei vielen Künstlern zutrifft, traf bei Tori in der Vergangenheit leider oft das Gegenteil zu. So wünschte man sich eine bessere, klügere Auswahl der Titel, die man dann im Endeffekt selber traf, jedoch trotzdem enttäuscht war über die Anzahl der (subjektiv) "schlechten" Titel. Bei "Abnormally Attracted to Sin" verhält es sich glücklicherweise etwas anders.
Tori schafft es, einen Liederzyklus zu präsentieren, der kaum einen Wunsch offen lässt. Von laut bis leise, langsam bis schnell, voll instumentiert und pianolastig, von gehaucht bis exzessiv gesungen, elektronisch bis klassisch werden alle Bedürfnisse befriedigt.
Den Einstieg macht "Give" ein extrovertierte Titel der mich sofort an ihre Choirgirl Hotel Phase denken ließ. So spielen das Schlagzeug und die E-Gitarre eine dominante Rolle (als Eröffnungstrack bei Live Auftitten prädestiniert), Toris Stimme: klar, sich überschlagend, sexy. So mag man das. Und schon befindet man sich mitten im Tori'schen Strudel. Es folgt Lied über Lied und man lässt sich gerne mitreißen von den "sexy"-selbstbewussten Songs wie "Strong Black Vine", "Abnormally Attracted to Sin", "That Guy", "Police Me", "Fast Horse" (man beginnt zu erahnen, warum dieses Album genau diesen Titel hat), die teilweise durch elektronische Elemente ergänzt werden, aber immer durch ein starkes Piano und Konsorten geleitet werden. Von den wunderschönen ruhigeren, wie meinem Favorit "Curtain Call" das durch eine glänzende Pianomelodie, Toris wunderbare Stimme und den Text sofort auffällt, oder auch "Ophelia", eine schöne Ballade die leicht zu Scarlets Reise gehören könnte. Ja, man erwischt sich mit Gänsehaut und Tränen in den Augen beim Hören einiger dieser Songs. Auch gefälligere Titel fanden den Weg auf "Abnormally Attracted to Sin". So die mitreissende erste Single "Welcome to England". Aber leider auch Titel wie "500 Miles" und "Mary Jane", die einen vor Plattheit ("His body like a sculpture - Almost decorated" - Britney Spears ahoi) erschaudern lassen. Wo wir gerade beim Thema erschaudern sind: es gibt einen Totalausfall der praktisch alles je dagewesene bei Weitem übertrifft (sogar "Ireland"): "Not Dying Today". So möchte ich die hochverehrten Leser dieses Blogs mit diesen Textzeilen beglücken: "music, good friends, I'm not dyin' today. I may be 6 feet under full of wonder - I'm not dyin' today - Dyin' today - I'm not dying mister- today". Nun, das ist nicht mal mehr Britney Spears Niveau. Glücklicherweise muss man aber sagen, dass dies wirklich der einzige Totalausfall ist. Alles andere liegt im Ohr des Hörers. Außerdem kann man sich bei 18 Titeln wieder beruhigt seine eigene Albumversion erschaffen und den ein oder anderen Song getrost weglassen. Meine Version sieht im Übrigen so aus:
1. GIVE
2. WELCOME TO ENGLAND
3. STRONG BLACK VINE
4. FLAVOR
5. MAYBE CALIFORNIA
6. CURTAIN CALL
7. POLICE ME
8. THAT GUY
9. ABNORMALLY ATTRACTED TO SIN
10. STARLING
11. FAST HORSE
12. OPHELIA
13. OSACAR'S THEME
Was bleibt zu sagen: ein Tori Album, das es sich lohnt zu hören (jedoch nicht zu sehen. So finde ich die "Visualettes" der Extended Edition extrem nutzlos und wenig aufschlussreich oder auch nur ästhetisch). Ein Album das einen zum Schwärmen verleitet, selbst als (in den letzten Jahren) oft leidgeplagten Tori Fan. Daher bekommt es
Vier von (imaginären) Fünf Sternen (5 Sterne gibts erst wieder wenn Tori es schaffen sollte Songs selbst auszusortieren!)
Hier als Hörproben meine liebsten Titel des Albums (und gleichzeitig der Beweis, dass die Visualettes nichts taugen):
Ophelia
Curtain Call (wunderbare Live Aufnahme, keine Angst vor dem Visualette)
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